Innenansichten von Künstlerateliers bilden in der europäischen Malerei seit dem 17. Jahrhundert eine eigene Bildgattung. Die Malerinnen und Maler stellen darin in der Regel dar, was sie in ihrem angestammten Arbeitsraum greifbar vor Augen haben. Manchmal setzen sie auch Gesellen, Gäste, Modelle oder sogar sich selbst in Szene und beleben so das Ambiente des Kreativortes Künstlerwerkstatt. Besonders beliebt ist auch das Thema «Maler und sein Modell», mit welchem sich ein regelrechter Spannungsbogen zwischen Malendem und Gemalten auftut. Das Objekt wird zum Subjekt, dessen Abbild zu einem eigenen Bildgegenstand.
Auch beim Riehener Maler Peter Stettler (1939–1998), dessen Restnachlass sich seit zwei Jahren im ARK Basel befindet, gehört das Atelierbild zum festen und besonders wichtigen Bestandteil seines Bilduniversums. Stettler malte jedoch nie seine eigene Werkstatt und setzte sich darin auch nicht persönlich in Szene. Vielmehr schuf er fiktive Interieurräume, die – bühnenartig aufgebaut – von einer leicht erhöhten Betrachterposition aus einen Blick auf eine Wand bieten. In dieser gewährt in der Regel ein grosses Fenster den Ausblick auf eine imaginäre Aussenwelt. Verkürzt dargestellte Seitenwände bzw. zu den Rändern «geschobene» Fenster- oder Türleisten rahmen das Blickfeld ein. Die darin erscheinenden Gemälde sorgen für zusätzliche Bildebenen. Das hier gezeigte «Atelier», ein grossformatiges Spätwerk aus dem Jahr 1993, ist menschenleer. Der abwesende Maler scheint den Raum eben erst verlassen zu haben, worauf die flüchtig neben die Staffelei und auf den Boden hingeworfenen Tücher schliessen lassen. Die Stelle des Akteurs nimmt das fertig gemalte Staffeleibild ein. Dieses gibt die Aussicht aus dem in der Komposition nicht sichtbaren Seitenfenster wieder; das Bild im Bild ist dabei gleichzeitig eine Referenz an eine Reihe von Exterieurbildern des Künstlers. Stettler malte seit den 1970er Jahren immer wieder Werke, welche über einer tief gelegenen Dächerlandschaft einen unendlich hoch aufragenden Himmel zeigen, an welchem oftmals ein Ballon oder Mond für einen Kontrapunkt sorgt. Das in diesem Gemälde in Szene gesetzte Fensterbild ist typisch für Stettlers variantenreiches Spiel mit verschiedenen Bildebenen, einem Wechselspiel zwischen Raum und Fläche, zwischen Innen und Aussen, zwischen Subjekt und Objekt.
Text: Tomas Lochman
Für Bildmaterial wenden Sie sich bitte an:
Veranstaltungen
Projektraum M54
Mörsbergerstrasse 54
4057 Basel
Weitere Details und Infos finden Sie auf dem Flyer zur Ausstellung, der ab August vorliegen
wird.
bz, 21.10.2023